Herzlich wilkommen!

Weitgehend hat die zeitgenössische Kunst ein belastetes, zumindest problematisches Verhältnis zur Welt der sichtbaren Dinge. Ursachen dafür sind einmal die Erkenntnisse der Anthropologie und Psychologie, die die Oberflächenwirklichkeit der Natur hintergreifen und damit deren Erlebniswert reduzieren. Weiterhin haben die erreichte technische Vollendung in der Fotografie, sowie die Computeranimation, die ihrerseits zur Kunstgattung gereift sind, der bildenden Kunst im herkömmlichen Sinn ein weites Feld der Entfaltung genommen.

Die zeitgenössische Kunst wurde somit gezwungen, auf Gebiete auszuweichen, wohin ihr die modernen technischen Darstellungsmittel nicht folgen können: auf das Unterbewusstsein des Menschen, auf die Hintergründigkeit der Dinge, auf das Zwischenreich der Träume oder überhaupt auf die Welt des Gegenstandsfreien. Dies zu verwirklichen, gibt es im allgemeinen drei herkömmliche Richtungen: einmal die Verfremdung und Verformung des Naturgegenstandes, um etwa das "Sowohl als auch" seines Wesens, Bewegungsvorgänge u. dgl. darzustellen (Expressionismus); zum zweiten die Auflösung des Gegenstandes überhaupt, um Empfindungen, Stimmungen und dergleichen Bild werden zu lassen (Abstraktion) oder auch die Lösung der Gegenstände aus ihrem vertrauten Zusammenhang und ihre Zusammenstellung zu neuen, in der realen Welt nicht vorkommenden Verbindungen, um die überaus differenzierte Reflexion der menschlichen Tiefenseele auf das im Alltag Gesehene und Erlebte zu deuten (Surrealismus).

Und noch einen dritten Weg gibt es, Kunst u. Gegenstand in ein neues , anderes Verhältnis zu bringen: einen Realismus nämlich, der sich, diesseits der vollendeten Bilder- und Zustandswelt, den kleinen und kleinsten Dingen, den scheinbar. gleichgültigen, um ihrer selbst willen sonst nicht beachteten Teilerscheinungen in der Natur- und Menschenwelt, ja Zu- und Abfallsprodukten aller Art zuwendet - oder auch den kompletten Gegenstand, ob Tier, ob Mensch, ob Pflanze, manchmal gewollt unfertig, gewollt vergröbernd, oder in neuer, anderer Umgebung zeigt, um hintergründige oder neue Wesenszüge zu verdeutlichen. Eigenleben, Besonderheiten zu zaubern, wo sie zunächst nicht vermutet werden, ist das wesentlichen Anliegen dieser Art von Realismus.

Hier liegt ein Teil davon begründet, was ich mit meinen Werken in Malerei, Keramik, Materialbildern, Lichtobjekten etc. darstellen möchte.

Für einen gelernten Diplombiologen, der sein Studium auch als eine Art Bewusstseinserweiterung betrieben hat, ist "überall Wunderland, überall Leben": in der Baumrinde, in der Wasserpfütze, im abgefallenen Blatt am Wegesrand.

Andererseits tut sich beim Blick in das Mikroskop, oder bei tausendfacher Vergrößerung in den Mikrokosmos des Rasterelektronenmikroskops, ein ganz neues Universum an Strukturen, Formen und Umgebungen auf, die die Fantasie beflügeln und einladen, dort im Geiste spazieren zu gehen.

In diesen, aus Realität und Kopf geborenen Welten, vermischen sich dann Forschungsobjekt und begreifbare Realität zwangsläufig zu etwas Neuem.

So ergeben sich aus einer, ohne diese Geräte nicht sichtbaren, aber trotzdem existierenden Welt, mit Hilfe der Vorstellungskraft neue Möglichkeiten, Dinge dem Betrachter darzustellen.

Gleich einem Astronomen, der nur in seiner Fantasie Sterne und Planeten mit Hilfe wissenschaftlicher Fakten und den "Augen der Mathematik" betreten kann, ist der Beobachter auch hier auf die Bilder angewiesen, die im Geiste entstehen.

Diese Vorstellungskraft ist eine Eigenschaft, die häufig zu wichtigen Erkenntnissen in den Naturwissenschaften geführt hat!

Ein Biologe kann so z.B. eine Ahnung davon bekommen, wie eine Eule, ein Reptil oder ein Insekt die Welt sieht, wenn er zusätzlich zum gewissenhaften Studium seines Objekts, seine innere Bilderwelt aktiviert.

Beim Versuch, diese Bilder in reale Objekte umzusetzen, eröffnen sich ganz neue Wege , die mit dem Begriff "Realismus" nur ungenau beschrieben werden können: Der bildnerisch tätige Naturwissenschaftler betritt zwangsweise künstlerisches Neuland, das nicht in herkömmliche Schemata passt.

Dabei ist diese "Naturwissenschaftliche Kunst" schon ziemlich alt: Einer meiner großen Vorbilder, Ernst Haeckel, ein bekannter Naturwissenschaftler des 19. Jahrhunderts, war auch ein begnadeter Zeichner, der zahlreiche, wunderbare Darstellungen seiner Forschungsobjekte anfertigte. Auch die Künstler, die früher Forschungsexpeditionen begleiteten, verdienen in diesem Zusammenhang Erwähnung, da ihre Darstellungen oft weit über die (damals auftragsgemäß natürlich notwendige) "fotografisch" naturgetreue Wiedergabe des Forschungsobjekts hinausgegangen sind.

Diese Wege zu betreten sind für mich besonders reizvoll: Einige meiner "Lichtobjekte" z.B. entstanden während meiner Beschäftigung mit den Leuchtorganen von Organismen, wie sie z.B. in der Tiefsee beheimatet sind.

Es ist meines Erachtens hier, im Gegensatz zur rein wissenschaftlichen Darstellung, nicht zwingend notwendig, gefundene Strukturen exakt am Objekt darzustellen, ich liebe es, diese auf andere Objekte, ja Landschaften zu übertragen, so dass "Neuschöpfungen" entstehen, gezielte Verfremdungen! Manche Betrachter meinen, dass ein Teil meiner Werke wohl auch einen Hauch von surrealistischem, oder auch Fantsy-artigen Hintergrund haben, was ich hier im Raum stehen lassen möchte, da diese Begriffe wohl anders besetzt ist!

Was ich dem Betrachter anbiete: Ich leihe Dir meine Sinne, und hoffe, dass Du von dem, was ich geschaffen und erlebt habe, etwas mitnehmen kannst!

Haugenried, den 30.01.2004